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Klimawandel und Klimavariabilität

von Dr. Stephan Dietrich

Teil I des aktuellen Assessment Reports AR5 des UNO-Klimarates International Panel on Climate Change (IPCC), des UNO-Klimarates fasst die physikalische Basis des Klimawandels zusammen. Dabei haben 209 Leitautoren aus 39 Ländern mitgearbeitet, außerdem über 600 weitere Autoren. Daneben haben 50 Fachleute die Begutachtung geleitet. Insgesamt wurden für den Bericht rund 9.200 Fachaufsätze zitiert.

Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich kurz zusammenzufassen:

  • Der anthropogene Einfluss auf das Klimasystem ist extrem wahrscheinlich.
  • An der Erwärmung des Klimasystems gibt es keinen Zweifel.

Im Vergleich zum Vorgängerbericht aus dem Jahr 2007 hat sich in dieser Einschätzung im Wesentlichen nur eine Sache geändert: Aus “sehr wahrscheinlich” wurde “extrem wahrscheinlich”, was den anthropogenen Einfluss als dominierende Ursache für die beobachtete Erderwärmung seit Beginn des 19. Jahrhunderts betrifft. Doch was sind die Ursachen und Beobachtungen, die zu diesen Befunden führen?

Seit den 1950ern zeigen viele Messungen einen kohärenten Trend: Sowohl Atmosphäre als auch Ozean haben sich erwärmt, das Volumen an Schnee und Eis hat sich verkleinert, der Meeresspiegel ist angestiegen und die Konzentration an Treibhausgasen ist angestiegen. Allerdings scheint sich seit nunmehr 15 Jahren die globale Temperatur nicht weiter zu erhöhen. Der Grund dafür wird zur Zeit diskutiert und die meisten Klimawissenschaftler sehen die Ursache in einer verstärkten Wärmeaufnahme durch die Ozeane. Allerdings ist dieses Phänomen noch Gegenstand der Forschung. Dennoch ist die vergangene Dekade auch inklusive dieser Stagnation die wärmster seit Beginn der instrumentellen Beobachtungen ab 1850. Und mehr noch: In der Nordhemisphäre war die Periode 1983-2012 wahrscheinlich die wärmste 30-Jahre Periode der letzten 1400 Jahre (PAGES 2k Consortium, 2013).

Hier kommt natürlich die Frage ins Spiel, ob für diese Erwärmung der Menschen verantwortlich ist, oder ob natürliche Prozesse diese Erwärmung erklären können. So gab es etwa zwischen 850 – 1400 n.Chr. bereits eine Periode, die im Mittel annähernd so warm und regional sogar wärmer war als heute und definitiv nichts mit einem zeitgleichen Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre zu tun hat. Diese Periode wird auch als mittelalterliches Klimaoptimum bezeichnet. Das Grönländische Klima war zu dieser Zeit etwa durch mildere Temperaturen als heute geprägt. Allerdings deuten die rekonstruierten Temperaturmittelwerte der Nordhemispäre daraufhin, dass selbst während dieser Periode die Temperaturen die heutigen nicht erreicht haben. Erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich alle Kontinente mit Ausnahme der Antarktis deutlich erwärmt, wobei die stärkste Erwärmung in der Arktis stattfindet. Und diese Erwärmung geht seit Beginn der Industrialisierung mit einer Erhöhung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre einher.

Doch wie wirken diese Treibhausgase überhaupt auf das Klimasystem? Treibhausgase in der Atmosphäre lassen die von der Sonne kommende kurzwellige Strahlung weitgehend ungehindert auf die Erde durch, absorbieren aber einen Großteil der von der Erde ausgestrahlten Wärmestrahlung. Durch diesen Wärmestau erwärmt sich die Atmosphäre und gibt selbst wieder Wärmestrahlung ab. Hierdurch erwärmt sich die Erdoberfläche stärker als wenn allein die kurzwellige Strahlung der Sonne sie erwärmen würde. Dieser natürlicher Treibhauseffekt führt dazu, dass die Durchschnittstemperatur der Erde bei +14 °C liegt. Ohne diesen läge sie bei nur ca. -18 °C – ein Leben auf der Erde, wie wir es kennen, wäre so nur schwer möglich.

Die eigentlichen Verursacher des Treibhauseffektes sind Wasserdampf und eine Reihe von Spurengasen wie Kohlendioxid und Methan. Die Konzentration der Treibhausgase war bislang immer im Gleichgewicht im Klimasystem. Nach Messungen aus Eisbohrkernen betrug die Kohlendioxid-Konzentration in den letzten 800.000 Jahren nie mehr als 300 ppmV (parts per million, Teile pro Million Volumenanteil) und war hier immer im Wechsel mit den großen Eisschilden, deren Volumen während Eiszeiten immerhin zu einer Meeresspiegelabsenkung von ca. 120 m geführt haben. Erstmals ist im Mai 2013 die Konzentration von Kohlenstoffdioxid  die Schwelle von 400 ppmV überschritten worden. Dies ist wahrscheinlich der höchste Wert seit wenigstens 3.6 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit waren allerdings die Eisschilde und Temperaturen mit diesen hohen Kohlendioxidwerten im Gleichgewicht – und genau dies ist heute nicht der Fall.

Ein weiteres Problem ist die Verweildauer von Kohlendioxid im Klimasystem: Diese liegt im Bereich von Jahrhunderten, teilweise sogar deutlich länger. Die Ozeane nehmen atmosphärisches Kohlendioxid zwar rasch auf: Ein Kohlendioxids-Molekül wird nach durchschnittlich fünf Jahren in den Ozeanen gelöst, und führt somit zu einer Versauerung der Ozeane. Diese geben es jedoch aber auch wieder an die Atmosphäre ab, so dass ein Gleichgewicht zischen Ozeanen und Atmosphäre herrscht und ein Teil des vom Menschen emittierten Kohlendioxids letztlich für mehrere Jahrhunderte im Kohlenstoffkreislauf von Hydrosphäre und Atmosphäre verbleibt. Im Vergleich dazu kondensiert zusätzlich in die Atmosphäre eingebrachtes Wasser innerhalb weniger Tage aus. Die Konzentration von Wasserdampf im der Atmosphäre wird durch anthropogene Wasserdampfemissionen also nicht signifikant verändert. Steigende globale Durchschnittstemperaturen führen jedoch zu  einer stärkeren Verdunstung.  Und dies ist ein weitere wichtiger Prozess im Klimasystem: die Rückkopplungsprozesse. Ein global ansteigender Wasserdampfgehalt der Atmosphäre kann die globale Erwärmung zusätzlich antreiben, da eine erhöhe Wolkenbildung den Treibhauseffekt verstärkt (positive Rückkoppplung). Auf der anderen Seite erhöhen mehr Wolken auch die planetare Albedo, also die Reflektion von Sonnenlicht zurück in den Weltraum (negative Rückkopplung). Welcher Effekt überwiegt, hängt von der Art, Größe und Lage der  Wolken ab und ist heute eine der größten Fragen der Klimawissenschaften.

So zeigen auch die im aktuellen IPCC-Bericht verwendeten Studien, dass der Strahlungsantrieb (Maß für die Veränderung der Energiebilanz der Erde durch externe Faktoren, wird in Watt/m² gemessen) der Treibhausgasemission positiv ist und zu einer Energieaufnahme des Klimasystems geführt hat. Insgesamt ist der größte Anteil des Strahlungsantriebs durch die Erhöhung der Kohlendioxid-Konzentration seit 1800 bedingt. Auch ein künftiger Erwärmungstrend wird durch weitere Prozesse auf unterschiedlichen Zeitskalen beeinflusst werden und regional nicht einheitlich stattfinden. Beispiele für diese Prozesse sind Vulkanismus, Sonneneinstrahlung, und vor allem die interne Klimavariabilität (das El Nino-Phänomen oder die Nordatlantische Oszillation sollen hier als bekannte Beispiele dienen). Die  Änderungen des Klimawandels werden durch das träge Verhalten unseres Klimasystems auch über das 21 Jahrhundert hinaus anhalten  - sogar wenn die Treibhausgasemission gestoppt sind.

Abschließend will ich darauf hinweisen, dass wir Klimaforscher zahlreiche Aspekte im Klimasystem bereits sehr gut verstehen, wenn auch beileibe nicht alle. Das wir Menschen das Klima ändern, ist dagegen unbestritten. Die genauen regionalen Auswirkungen sind allerdings noch weitestgehend unbekannt. Wir sollten also Vorsicht walten lassen und die Erde nicht als Labor zum Experimentieren verstehen. Diese Erkenntnis ist allerdings auch nicht die Neueste, wie das abschließende Zitat demonstriert:

“A technological society has two choices. First it can wait until catastrophic failures expose systemic deficiencies, distortion and self-deceptions...

Secondly, a culture can provide social checks and balances to correct for systemic distortion prior to catastrophic failures.”

- Mahatma Gandhi

Literaturverzeichnis

IPCC, 2013: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, in press.

Lüthi, et al., 2008. High-resolution carbon dioxide concentration record 650,000–800,000 years before present. Nature 453, 379-382, doi:10.1038/nature06949

PAGES 2k Consortium, 2013. Continental-scale temperature variability during the past two millennia. Nature Geoscience, 6, 339–346, doi:10.1038/ngeo1797.